4. November 2022. Die beispiellosen Überschwemmungen der letzten Monate in Pakistan haben zu weitreichenden Zerstörungen geführt, wobei sowohl Ernten als auch private und öffentliche Infrastrukturen zerstört wurden. Das Land steht nun vor einer humanitären und gesundheitlichen Krise. Die Regierung schätzt die entstandenen Schäden auf bis zu 40 Mrd. USD; der Wiederaufbau wird eine Herkulesaufgabe für dieses Entwicklungsland sein, das ohnehin schon mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte.
Dies ist nur eines von mehreren extremen Klimaereignissen, die Südasien in diesem Jahr heimgesucht haben. Nach Bangladesch in diesem Sommer hat nun auch Nepal mit Überschwemmungen und Erdrutschen zu kämpfen. Auch Indien und Pakistan wurden von einer rekordverdächtigen Hitzewelle heimgesucht, die früher begann und länger dauerte als üblich. Sie zerstörte nicht nur die Ernten, sondern verursachte auch Stromengpässe und Dürre. Leider sind diese Ereignisse nur ein erster Hinweis darauf, worauf sich Südasien in den kommenden Jahren einstellen muss. Der Klimawandel ist für diese dicht besiedelte Region bereits zu einer existenziellen Krise geworden.
Eine katastrophenanfällige Region an der Frontlinie des Klimawandels
Einer Schätzung zufolge ist der indopazifische Raum viermal häufiger von Naturkatastrophen betroffen als Afrika und 25-mal häufiger als Europa. Südasien ist eine besonders katastrophenanfällige Region, da klimabedingte hydrometeorologische Katastrophen wie Überschwemmungen, Stürme, Hitzewellen und Dürren in der Region immer häufiger und schwerer ausfallen. Diese wiederum führen zu Wasserknappheit, Ernährungsunsicherheit, Armut und oft auch zu Gesundheitskrisen. Abgesehen von den hohen menschlichen Kosten dieser Wetterkatastrophen werden die Länder der Region auch mit massiven wirtschaftlichen Kosten konfrontiert.
Einem Bericht zufolge könnten zunehmende Hitze und Feuchtigkeit das indische BIP bis 2030 um etwa 2,5 bis 4,5 Prozent verringern, was etwa 150 bis 250 Milliarden US-Dollar entspricht. In einem aktuellen Bericht der Asian Development Bank wird geschätzt, dass zwischen 2010 und 2021 im gesamten asiatisch-pazifischen Raum 221 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen vertrieben wurden, darunter 5 Millionen allein durch den Zyklon Amphan im Jahr 2020. Die Zahlen für dieses Jahr werden zweifellos viel höher ausfallen, und die Zahl der Menschen, die Naturkatastrophen ausgesetzt sind, steigt jedes Jahr um etwa 3,5 Prozent.
Der Klimawandel verstärkt auch die Binnenmigration. Da einige Gebiete aufgrund von Wasserknappheit oder steigendem Meeresspiegel immer schwieriger zu bewohnen sind und die wirtschaftlichen Möglichkeiten knapper werden, ziehen die Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben in andere Gebiete. Wenn nicht dringend angemessene Maßnahmen ergriffen werden, könnte es in Südasien bis zu 40 Millionen interne Klimamigranten geben. Oft ziehen die Menschen auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten in die grossen Städte. Leider wird dies Megastädte wie Delhi und Mumbai weiter belasten, die bereits unter schlechter Infrastruktur, zunehmender Verschmutzung und Umweltzerstörung leiden.
Politik und Vorbereitung verbessern
Die südasiatischen Länder haben einige Anstrengungen unternommen, um sich auf bestimmte Katastrophen vorzubereiten, z. B. auf Wirbelstürme in Bangladesch und Erdbeben in Pakistan. Durch das anhaltende Bevölkerungswachstum und die Verstädterung steigt jedoch die Bevölkerungsdichte in katastrophengefährdeten Gebieten. So wird erwartet, dass bis 2050 schätzungsweise 246 Millionen Menschen in zyklongefährdeten Gebieten leben werden. Frühzeitige Warnungen und Evakuierungen können die Zahl der Todesopfer verringern, auch wenn das Risiko für Privateigentum und öffentliche Infrastrukturen hoch bleibt.
Neben der Entwicklung nationaler Katastrophenschutz- und -hilfsmechanismen ist es von entscheidender Bedeutung, die nationale Politik zu verbessern - insbesondere in der Stadtplanung. Schlechte Infrastruktur und eine Stadtentwicklung, die die lokale Ökologie außer Acht lässt, verschärfen viele Probleme. Jeder, der schon einmal während der Monsunzeit auf Indiens oder Pakistans überschwemmten Straßen unterwegs war, kann bestätigen, dass die Entwässerungssysteme nicht gut geplant wurden.
Aufgrund der ökologischen und geografischen Kontinuitäten in der Region gibt es zwingende Gründe für eine regionale Zusammenarbeit. Daher müssen die südasiatischen Länder neben ihren eigenen Anstrengungen auch ernsthaft in multilaterale Mechanismen für humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe investieren, an denen es bisher mangelt. Obwohl beispielsweise die Bedeutung des Katastrophenrisikomanagements anerkannt und die Wichtigkeit einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit bei der Bewältigung des Klimawandels betont wird, haben weder die Indian Ocean Rim Association (die Pakistan ausschliesst) noch die South Asian Association for Regional Cooperation irgendwelche konkreten Pläne ausgearbeitet oder umgesetzt.
Aufbau einer Koalition auf internationaler Ebene
Multilaterale Organisationen haben Pakistan bereits frühzeitig Unterstützung zugesagt und Spendenaktionen gestartet. Anfang Oktober haben die Vereinten Nationen einen Spendenaufruf gestartet, um dem Land mit 816 Millionen US-Dollar zu helfen, sich von der Flut zu erholen. Auch wenn diese Mittel bei Weitem nicht ausreichen, um den Gesamtschaden des Landes zu begleichen, wird selbst dieser Betrag schwierig aufzubringen sein. Die Vereinten Nationen haben bisher nur 90 Mio. USD erhalten. Im September teilte die Weltbank mit, dass sie für die verschiedenen Rehabilitations- und Wiederaufbaumassnahmen eine Unterstützung von etwa 2 Mrd. USD in Aussicht stellt. Die Asian Development Bank hat bis zu 2,5 Mrd. USD zugesagt.
Die Unterstützung aus den wohlhabenden Volkswirtschaften war uneinheitlich. Im Gegensatz zu den USA (66 Mio. USD), China (59 Mio. USD) und dem Vereinigten Königreich (30 Mio. USD) hat die EU nur etwa 2,28 Mio. USD bereitgestellt. Die Hilfe aus anderen grossen Volkswirtschaften ist weniger klar. Während Länder wie Deutschland schnelle Hilfe und sofortige Nahrungsmittelhilfe leisteten, wird es Jahre dauern, bis sich Pakistan von den weitreichenden Zerstörungen erholt hat. Pakistan wird nachhaltige Hilfe benötigen, sobald es nach der Bewältigung der unmittelbaren humanitären Krise mit dem Wiederaufbau beginnt; es ist noch nicht klar, wie viel Unterstützung es in der späteren Phase erhalten wird.
Südasiens Probleme mit dem Klimawandel werden sich nur noch verschärfen. Mit der zunehmenden Häufigkeit und Schwere extremer Klimaereignisse werden auch die Kosten, um darauf zu reagieren und sich davon zu erholen, steigen. Für die Länder der Region wird es immer schwieriger werden, diese Kosten zu tragen, da der Verlust des Bruttoinlandsprodukts aufgrund dieser Katastrophen ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten weiter einschränken wird. Die Region sieht sich nicht nur mit steigenden humanitären Kosten und Unsicherheit konfrontiert, sondern auch mit einem Rückfall in die Armut für Millionen von Menschen und einem Rückschritt bei den hart erkämpften Entwicklungserfolgen der letzten Jahrzehnte.
Da die Kosten für die Bewältigung extremer Klimaereignisse in Zukunft steigen werden, ist unklar, inwieweit die wohlhabenden Volkswirtschaften bereit sein werden, die Entwicklungsländer weiterhin zu unterstützen, vor allem wenn sie selbst mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert werden.
Leider stehen die Entwicklungsländer bei der Bewältigung dieser Lasten zunehmend alleine da. Auf globaler Ebene müssen sie nun zusammenarbeiten, um die reichen Länder dazu zu bringen, die bisher versprochene Klimafinanzierung zu leisten, und auf der bevorstehenden COP27 auf die Entwicklung von Finanzmechanismen zur Unterstützung des Wiederaufbaus zu drängen.
Die angespannten Beziehungen zwischen den Ländern Südasiens haben die bilateralen Beziehungen und multilateralen Institutionen zu lange behindert. Doch die politische Führung aller Länder der Region muss erkennen und akzeptieren, dass die existenziellen Herausforderungen des Klimawandels weitaus wichtiger sind als anhaltende ideologische Rivalitäten und territoriale Streitigkeiten. Sieben Jahrzehnte der Feindschaft sind genug. Die südasiatischen Länder täten gut daran, ihre gegenseitigen Animositäten endlich beiseite zu legen und mit der Entwicklung transnationaler und regionaler Mechanismen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Bewältigung von Katastrophen zu beginnen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf 9DASHLINE.com veröffentlicht, einer Plattform für Kommentare und Analysen zu Themen, die den indopazifischen Raum betreffen — die dynamischste Region der Welt.
Manali Kumar ist Postdoctoral Research Fellow, Dozentin an der Universität St. Gallen und Chefredakteurin von 9DASHLINE. Sie forscht zu Indiens nationaler Identität und Indiens Interessen als aufstrebende Macht sowie zur Rolle der Umsicht in der Staatsführung und Entscheidungsfindung in unsicheren Zeiten.
Foto: photocase.com / Rucksackträger